Am Sun, 23 Mar 2025 11:08:44 +0100 schrieb Tomas Graser
Post by Tomas GraserPost by Alexander AusserstorferPost by Hans CrauelAlexander Ausserstorfer schrieb
Welches Fett nehmt ihr für eure Reifen her? [...] Im Zweifelfalle probiere ich es mit Lederfett.
An die Reifen sollte gar kein Fett.
Die Mäntel werden ohne Fett mit der Zeit aber hart und spröde, wie ich
leider feststellen mußte. Wie verhindert man das? Oder ist das wieder
eine der üblichen Fehlkonstruktionen im Fahrradbau?
Eventuell liegt der Fehler in deinem gotteslästerlich^H vermessenen
Anspruch, dass alles immerfort ewig haltbar sein müsse?
Bei Autoreifen gelten 10 Jahre als erlaubtes Maximum - der TÜV empfiehlt
Tausch nach höchstens 6 Jahren.
Sei zufrieden, dass derartige Regeln noch nicht für Fahrräder
aufgestellt wurden. Die motorisierten 'Fahrradfahrer' würden sich
bestimmt willig dreingeben, die Hersteller dito.
Die Hersteller würden sich nicht dreingeben, sie machen aktiv Stimmung
dafür, die Lebensdauer von Pedelec weiter zu verkürzen - und die von
Fahrrädern gleich mit.
"Verkaufszahlen von Fahrrädern sinken weiter" titelte die Zeit.
Tatsächlich geht es in dem m.E. aus einer Pressemitteilung
zusammengeschriebenen Artikel darum, dass E-Bikes aka "Fahrräder" aus
Sicht des Fahrradhandels zu lange halten.
<https://www.zeit.de/mobilitaet/2025-03/fahrrad-verkauf-rueckgang-mehr-ebikes>
| Ein weiteres Problem für den Absatz könnte die längere
| Lebensdauer der verkauften E-Bikes sein. Die Akkus und die
| gesamten E-Bikes halten nach Einschätzungen der Branche
| länger als erwartet. Die durchschnittliche Lebensdauer wird
| auf etwa acht bis neun Jahre geschätzt. Das führt dazu, dass
| die Räder später ausgetauscht werden.
Ein Artikel mit ähnlicher Tendenz fand sich auch schon bei der
Tagesschau.
<https://www.tagesschau.de/wirtschaft/verbraucher/fahrraeder-ebikes-eurobike-100.html>
Immerhin wurde da da noch nicht explizit die unerwartet/unerwünscht
längere Haltbarkeit beklagt, sondern nur die vollen Lager und sinkenden
Absätze.
M.E. basiert die aktuelle Rabulistik auf einem statistischen
Fehlschluss. Und wie wäre "längere Lebensdauer der verkauften E-Bikes"
zu verstehen? Länger als was? Länger als erwartet? Länger als erwünscht?
Oder länger als die von Fahrrädern? Oder länger als im Vorjahr?
Fahrräder halten IMHO an der Zeitspanne gemessen im Mittel deutlich
länger als "etwa acht bis neun Jahre" und verschwinden endgültig aus dem
Bestand erst dann, wenn sie durch einen Unfall so beschädigt oder durch
Gebrauch so verschlissen sind, dass eine Reparatur selbst für denjenigen
nicht praktikabel ist, der sich das Teil aus dem Sperrmüll klaubt und
damit zu einer Selbsthilfewerkstätte tigert.
Mein 1995 gekauftes und jetzt dreissig Jahre altes Panasonic PR3000 habe
ich nun wirklich auf dem Weg zur Arbeit regelrecht zuschandengeritten.
Aaaber ... die deutlich sichtbaren Gebrauchsspuren, Kratzer,
Oberflächenrost im Bereich der Muffen durch die kräftig gesalzenen
Bonner Straßen, sind i.W. kosmetischer Natur bzw. Verscleissteile, die
einfach auswechselbar sind. Der Reifen am Vorderrad ist vergleichsweise
neu, von ähnlicher Qualität und weniger gelaufen als die, welche ich
aktuell auf den Rennrädern habe. Usw.
Ich habe keine Verwendung mehr für dieses Rad, weil ich eine andere
Person bin als vor 30 Jahren und weil sich die technischen Möglichkeiten
in den drei Dekaden erweitert haben. Was hierzustadt an alten
Rennrädern herumfährt, ist z.T. noch deutlich älter. In so mancher
Garage und so manchem Keller dürfte so etwas herumstehen, nicht
unbedingt ein Rennrad, aber vmtl. weniger gefahren.
Der Fahrradhandel hat darauf spekuliert, dass E-Bikes Wegwerfartikel
sind und bleiben, im Vergleich zu Fahrrädern - und hat sich dabei
offenbar ein wenig verspekuliert. Es _sind_ Wegwerfartikel, aber
offenbar nicht im gewünschten Umfang.
Man darf gespannt sein, wann der erste Vorstoß kommt, die Lebensdauer
von aus dieser Sicht zu langlebiger Motorfahrräder aka Pedelec durch
Lobbyarbeit und Verschärfung der Bau- und Wirkvorschriften bzw. per
Anwendung bislang weitgehend ignorierter solcher Vorschriften zu
begrenzen, weil: Sicherheit.
Das höhere Unfallrisiko von E-Bikes wird dabei sicherlich hilfreich sein
und gewiss wird man sich nicht auf diese beschränken, sondern “Mehr
Sicherheit für das Fahrrad” propagieren. Wie es gerade in den Kram
passt.
Post by Tomas GraserAuf deine Versuchsreihe zur Bekämpfung der Versprödung (Schuhcreme,
Glyzerin, Haargel, ...) bin ich sehr gespannt.
Man kann es mit der Langlebigkeit von verschleißenden Fahrradkomponenten
auch übertreiben. Wenn ich sehe, dass das bei Hipstern beliebte
Strassencafé hier in der Nähe regelmäßig eine ganze Phalanx an großen
gelben Tonnen für den Abtransport der Einwegverpackungen der
angelieferten Produkte zur Leerung auf den Bürgersteig stellt - die
Einwegverpackungen für den Konsum nehmen die Kunden mit -, dann kommen
mir Reifenwechsel alle zwei Jahre doch sehr überschaubar vor und solche
Manipulationen (Fett oder andere Schmiermittel auf den Reifen) halte ich
für sowohl nutzlos als auch gefährlich.
Ich hab' mich mal mit einem Autonarren gestritten, der über "öltriefende
Fahrradketten" lästerte ("Umweltsauerei").
Wahrscheinlich wusste er nicht, dass der Wartungsplan eines Autos
Ölwechsel und Bremsflüssigkeitswechsel alle zwei Jahre vorsieht,
unabhängig von der Fahrleistung. Das sind dann mehrere Liter. Unsere
Räder haben in vielen Jahrzehnten nicht so viel Schmierstoff bzw.
Bremsflüssigkeit benötigt.
Ein Autoreifen ohne Felge wiegt ca 9-15 Kilo, benötigt werden vier bzw.
fünf Stück, wenn man den Reservereifen mitzählt, der nach spätestens
etwa sechs Jahren auch getauscht werden sollte. Macht ungefähr 60 Kilo
alle sechs Jahre, oder 10 Kilo Altreifen im Jahr.
Ein Continental Grand Prix 5000 S TR in der 28mm-Version, wie ich sie
2023 verbaut hatte, wiegt 280 Gramm. Nach den gut 5000 Kilometern, die
ich diese Reifen bis Mitte '24 gefahren habe, ist der am Vorderrad noch
tauffrisch und der am Hinterrad ebenfalls noch gut für geschätzt noch
mal halb so viel.
Selbst wenn wir 6000 km im Jahr und Tausch beider Reifen rechnen, kommen
so nur rund ein halbes Kilo Reifenmaterial zusammen, im Vergleich zu
zehn Kilo beim Pkw.
Sicher, man könnte jetzt damit argumentieren, dass mit einem Auto viel
weiter als nur 6000 Kilometer im Jahr gefahren werden kann und auch
gefahren wird. Dann stellt sich aber schnell die Frage, wie es mit dem
Reifengewicht und -verschleiß aussieht, wenn die Fahrzeuge
zwischenzeitlich auch doppelt so schwer werden (Stichwort SUV und E-SUV)
und stärker beschleunigen, und wie sich das auf den Verschleiß von
Straßen auswirkt, bzw. auf den Materialbedarf (und Transportbedarf!) bei
Ausbesserung bzw. der notwendigen Erneuerung der zerstörten Fahrbahnen.
Bei allem Verständnis dafür, nicht unnötig zu verschwenden: Das Thema
bzw. diese Wendung ist absurd. Reifen altern und Reifen, die vorzeitig
spröde werden, waren entweder beimm Kauf schon zu alt oder wurden falsch
gelagert.
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Wir danken für die Beachtung aller Sicherheitsbestimmungen