Hi Jörg,
schau mal hier: Ist aus der "Tour", Zeitschrift für Rennrad.
Freie Fahrt auf freien Straßen
Wenn Harald P. mit dem Rad zur Arbeit fährt, muss er fahrerische
Höchstleistungen vollbringen. Der schmale Radweg windet sich wie eine
weich gekochte Spaghetti an der Fahrbahn entlang. Auf dem Bordstein
parken Autos, deren Besitzer, teils ohne zu schauen, den Radweg
überqueren, um auf den daneben liegenden Gehweg zu gelangen. Auf die
breite Hauptstraße darf Harald P. nicht ausweichen. Der Radweg ist mit
einem blauen Schild gekennzeichnet, auf dem ein weißes Fahrrad
abgebildet ist. Laut Straßenverkehrsordnung (StVO) verpflichtet ein
solches Schild (Zeichen 237) Radfahrer dazu, diesen Weg zu benutzen.
Doch müssen sich Radler wirklich strikt an diese Vorschrift halten?
Nicht immer. Denn laut Fahrradnovelle zur Straßenverkehrsordnung (§2
Absatz 4), die 1998 in Kraft trat, muss ein Radweg bestimmte Kriterien
aufweisen, um benutzungspflichtig zu sein. Wichtige Merkmale sind gut
erkennbare, hindernisfreie Wegführung, einwandfreier Belag und eine
Mindestbreite von 1,5 Metern. Im Fall von Harald P. ist ziemlich klar,
dass das Schild eigentlich abmontiert werden müsste, der Radweg genügt
gleich in mehreren Punkten nicht den Anforderungen.
RECHT FÜR RADLER
Doch obwohl die Novelle nun seit sechs Jahren existiert, gibt es in
Deutschland noch viel zu viele benutzungspflichtige Radwege, die gar
nicht als solche ausgewiesen sein dürften. Die Gerichte stehen bei
klaren Fällen in der Regel aufseiten der klagenden Radler.
Das Verwaltungsgericht Schleswig-Holstein hat nun mit einem Urteil vom
vergangenen September ein neues Schlupfloch geöffnet: Demnach müsse man
Radwege auch dann nicht befahren, wenn es nicht gefährlicher sei, die
Fahrbahn zu benutzen (VG Schleswig- Holstein, Urt. v. 23.9.2003 - 3 A
275/02). Normalerweise gilt im Straßenverkehr der so genannte
Entmischungsgrundsatz, der motorisierte und nicht motorisierte
Verkehrsteilnehmer zu ihrem eigenen Schutz trennt. Den hob das Gericht
hier unter der Begründung auf, dass die fragliche Straße so wenig
befahren sei, dass Radler gar nicht vor den Autos geschützt werden
müssten. "Bei mäßigem Autoverkehr ist Mischverkehr auf der Fahrbahn ohne
Abtrennung möglich. Autofahrer nehmen Radler besser wahr, wenn sie auf
der Straße fahren", ist der ADFC-Bundesvorsitzende Karsten Hübner
überzeugt. Der Allgemeine Deutsche Fahrradclub (ADFC) fordert schon
lange, die Radwegebenutzungspflicht ganz abzuschaffen und auf Straßen
mit viel Verkehr markierte Schutzstreifen anstatt abgetrennter Wege
einzurichten. "Der Fahrbahnrand ist - von wenigen Ausnahmen abgesehen -
der sicherste Platz für Radfahrer", glaubt auch Götz Nowobilski von der
Pinneberger Polizei. "Autofahrer übersehen Radler an
Grundstückseinfahrten und Straßeneinmündungen leichter, wenn sie auf dem
Radweg fahren."
WIE SICHER IST SICHER?
Mit dieser Meinung steht der Polizeibeamte unter seinen Kollegen noch
ziemlich allein da. Das Polizeipräsidium München hält abgetrennte
Radwege nach wie vor für sicherer, weil markierte Radstreifen auf der
Fahrbahn von Radlern und Autos leichter missachtet und überfahren werden
als ein hoher Bordstein. So denkt man auch im Verkehrsministerium.
Immerhin ist im Rahmen einer neuerlichen Novellierung der
Straßenverkehrsordnung daran gedacht, eine Radwegebenutzungspflicht nur
noch dort zu verhängen, wo es Verkehrssicherheit und -ablauf erfordern.
Gleichzeitig erlaubt es diese Novelle den örtlichen Behörden aber auch,
Radwege für Inlineskater freizugeben. "Ein Schritt in die falsche
Richtung", schimpft der ADFC. "Mit der Abschaffung der Benutzungspflicht
könnte man die Radnutzung im Straßenverkehr emanzipieren. Radler haben
ebenso ein Recht auf
breite Straßen wie Autofahrer." Ob diese Meinung sich jemals durchsetzt,
ist fraglich. Denn die Entscheider im Ministerium vertreten nach wie vor
die Devise: "Einige Negativbeispiele sind kein Grund, die
Radwegebenutzungspflicht grundsätzlich in Frage zu stellen."
KURZ & KNAPP
Radwege, die mit den Schildern 237, 240 und 241 (weißes Radpiktogramm
auf blauem Grund) ausgewiesen sind, sind benutzungspflichtig, alle
anderen können, müssen aber nicht befahren werden.
Benutzungspflichtige Radwege müssen an der Fahrbahn entlang führen,
breit genug, frei befahrbar und in gutem Zustand sein. Sonst kann man
von den Behörden verlangen, das Schild abzunehmen.
Nach jeder Straßeneinmündung muss ein Radweg-Zeichen stehen. Ansonsten
endet der benutzungspflichtige Radweg.
Ist der Zustand eines Radweges so, dass er zum langsamen Fahren
zwingt, besteht keine Benutzungspflicht. (OLG Köln, NZV 1994, 278)
Um gegen einen nicht ordnungsgemäßen Radweg Klage einreichen zu
können, genügt es, ihn einmal befahren zu haben. Regelmäßige Nutzung ist
keine Voraussetzung mehr. (BverwG, NZV 2004, 52)
BUSSGELDER
Radfahren auf dem Gehweg: 5 Euro
Nichtbenutzung eines ausgeschilderten Radweges: 15 Euro
Benutzung eines Radweges in falscher Richtung: 15 Euro
INTERVIEW
»Gesunder Menschenverstand« - Reinhard Hahn ist Rechtsanwalt und
Verkehrsrechts-Experte. Für TOUR erklärt er, wie man vorgeht, wenn man
einen Radweg für nicht befahrbar hält
TOUR: Herr Hahn, wie ist das Urteil des Schleswig-Holsteinischen
Verwaltungsgericht einzuordnen, eine wenig befahrene Straße freizugeben,
weil es dort für Radwege nicht gefährlicher ist als auf dem Radweg?
HAHN: In diesem Fall hat der Richter das Urteil mit gesundem
Menschenverstand gefällt. Das ist aber ein Einzelfall. Man sollte
Radwege zum eigenen Schutz benutzen - auch, wenn die Gemeinden sie oft
stiefmütterlich behandeln.
Muss man, wenn man einen Radweg für nicht benutzungspflichtig erachtet,
erst vor Gericht gehen, um ihn nicht befahren zu müssen, oder gibt es
Argumente, mit denen sich die Polizei vor Ort davon überzeugen lässt,
dass der Radweg unzumutbar ist?
Das hängt immer vom Polizisten ab. Wenn er Verständnis für Sie als
Radfahrer hat, wird er Sie nicht zwingen, einen nicht standesgemäßen
Radweg zu befahren - auch, wenn er benutzungspflichtig ist. Wenn er den
Radweg für zumutbar hält, wird er jedoch ein Verwarnungsgeld fordern,
das in ein Bußgeld umgewandelt wird, wenn Sie sich weigern zu zahlen.
Eine Bußgeldforderung oder ein Unfall sind übrigens Voraussetzungen
dafür, dass Sie vor Gericht klagen können. Ob Sie den Radweg einmal pro
Jahr oder täglich befahren, spielt dabei keine Rolle.
(Text: Carola Felchner, Illustration: Klaus Espermüller)
Klärt eigentlich alles, falls in den anderen Antworten schon was
ähnliches steht, entschuldige, hatte nicht die Zeit alle zu lesen.
Gruß Ravendark