Post by Thomas BliesenerIm zweiten dort beschrieben Fall in Braunschweig, hat das Gericht den
Radfahrern zwar Recht gegeben, aber, was dort leider nicht dabeisteht,
einen Schadensersatz für die zerstörten Schlösser ausdrücklich
zurückgewiesen.
Da das Verwaltungsgericht die Rechtswidrigkeit des Schlossknackens nicht
feststellen wollte, hätte der Kläger ein Zivilgericht bemühen müssen,
wenn er hätte Schadenersatz haben wollen. Also Klage vor dem Amtsgericht
statt vor dem Verwaltungsgericht.
Vor dem Verwaltungsgericht ging es ja nur darum, ob das Abstellen bzw.
das Entfernen des Fahrrads aus dem Fußgängerbereich legal war. Legal war
das Abstellen, das Entfernen war daher illegal. Entfernt werden durfte
das Fahrrad also nicht. Jedenfalls nicht aus dem Grund, dass es im
Fußgängerbereich abgestellt war.
Ob das Knacken des Schlosses vielleicht auch rechtswidrig war, ist vom
Gericht nicht geprüft worden. Das hätte der Kläger im Rahmen eines
Schadenersatzprozesses vor dem Amtsgericht klären müssen.
Und da hätte er möglicherweise schlechte Karten gehabt, das Problem des
Braunschweiger Klägers war nämlich: Er hat nicht nur eine
Fußgängerfläche zum Abstellen seines Fahrrads benutzt (üblicher und
daher legaler Gemeingebrauch), sondern er hat sein Fahrrad mit einem
Stahlschloss an eine Straßenlaterne der Stadt angekettet. Und dieses
eigenmächtige Anketten seines Gegenstands an fremdes Eigentum war falsch.
Das Anketten seines Fahrrads an eine Laterne der Stadt ist kein
"üblicher Gemeingebrauch", sondern fällt als Besitzstörung unter
"verbotene Eigenmacht":
http://www.gesetze-im-internet.de/bgb/__858.html
"Störung des Besitzes" ist dabei "jede weitere Beeinträchtigung des
Besitzes ohne seine Entziehung".
Und im nächsten BGB Paragraphen ist geregelt, daß der rechtmäßige
Besitzer einer Sache sich "mit Gewalt erwehren" darf:
http://www.gesetze-im-internet.de/bgb/__859.html
"Mit Gewalt" bedeutet natürlich "unter Berücksichtigung der
Verhältnismäßigkeit der Mittel".
Ob das Knacken des Schlosses also zulässig und verhältnismäßig war zur
Abwehrung der verbotenen Eigenmacht, weil das Rad an eine Straßenlaterne
gekettet war, ist gar nicht geprüft worden. Wenn das geprüft worden wäre
und das Gericht hätte festgestellt: Ja, das Schloß durfte geknackt
werden um eine verbotene Eigenmacht des Radfahrers abzuwehren, dann
hätte sich gleich wieder die Frage gestellt: Muß die Stadt das nunmehr
ungesicherte Fahrrad nicht amtlich sicherstellen? Denn ungesicherte
Fahrräder werden ja oft gestohlen, da wäre es für die Stadt also eine
Verpflichtung gewesen, das Rad anders zu sichern.
Irgendwie wollten die Parteien die juristischen Feinheiten, die um ein
geknacktes Fahrradschloß ausgefochten werden können, in dem
Braunschweiger Fall wohl nicht ganz bis zu Ende vor Gericht ausfechten.
Da kann ja manchmal auch Nerven sparen, vor allem wenn man damit rechnen
muß, beim Weiterklagen zu unterliegen. Und das wäre natürlich unschön,
nachdem man vorher vor dem Verwaltungsgericht so haushoch gewonnen hat.
;-)
Jürgen