Am Sun, 26 Jan 2025 17:57:34 GMT schrieb
Post by Anton ErtlPost by Wolfgang StroblWenn ein Unternehmen Beschäftigte mit motorisierten Zweirädern
ausstattet, die den rechtlichen Status von Fahrrädern haben, dann ist
das Motiv i.W. die Kostenersparnis, nicht die Gesundheit der
Beschäftigten oder ein anderes menschenfreundliches Motiv. Wenn es
prekär Beschäftigte wie z.B. bei den Essenslieferanten sind, dann sind
es vmtl. weniger die eingesparten Parkplätze, sondern es ist u.A. der
Freibrief, der nach allgemeiner Vorstellung mit der Nutzung von
Fahrrädern verbunden ist.
Freibrief? Gerade in der BRD habe ich extrem aggressives
Revierverhalten gegenueber mir als Radfahrer erlebt wie nirgendwo
sonst.
Zu Austria kann ich keinen Vergleich anstellen, weil ich dort noch nicht
mit dem Fahrrad unterwegs war. Hierzustadt und hierzulande bin ich
zurechtgekommen, möchte es allerdings auch nicht beschönigen.
Abgesehen davon liegt hier ein Mißverständnis vor. Der "Freibrief" bezog
sich auf das, was Bernd Sluka in seinem "Prinzip Radweg" aus einem
anderen Blickwinkel beschrieb: die Narrenfreiheit, welche Radfahrende
laut Meinung eines großen Teil des Publikums genießen, so lange sie sich
von den lebensgefährlichen Fahrbahnen fernhalten.
Post by Anton ErtlIch denke, der Hauptvorteil sind die geringeren Kosten und Auflagen im
Vergleich zu Fahrzeugen mit Kennzeichen.
Natürlich. Keine Kosten für Zulassungen und keine Einschränkungen durch
zusätzliche, für Kfz übliche Regeln. Man kommt in den Genuss eines
kräftig angetriebenen, schweren und ggfs. schwer beladenen Fahrzeugs,
darf aber auf Wegen fahren (etwa in den nur für Radverkehr freigegebenen
Bereichen von Fußgängerzonen und Wohngebieten), auch wenn man ein
schwächlicher Jammerlappen ist. Klar ist das aus Sicht eines
kommerziellen Nutznießers ein Gewinn.
Post by Anton ErtlWobei ich Essenslieferanten
auch auf solchen gesehen habe.
Ich habe erst kürzlich einen gesehen, sah recht agil aus. Ist mir
aufgefallen, _weil_ das inzwischen eine seltene Ausnahme ist.
Post by Anton ErtlPost by Wolfgang StroblDaran, dass die Nutzer der Fahrzeuge dabei auf für sie förderliche Weise
trainieren, ist dabei nicht gedacht, eher im Gegenteil: es rechnet sich,
wenn jemand seinen Schnitt von 20 km/h über einen ganzen Arbeitstag
hinweg und länger halten kann, weil ein Motor die Hauptarbeit leistet
und nicht ermüdet.
Ich denke nicht, dass Ermuedung und Schnitt bei trainierten Benutzern
da eine grosse Rolle spielen, sondern dass die Benutzer einsteigen
koennen, ohne trainieren zu muessen.
Dass die Benutzer einsteigen _müssen_, ohne trainieren zu _können_, ist
aber auch relevant - für die Fahrer. Sobald das einheitliche und so
normierte und planbare Verhalten des prekär beschäftigten Auslieferers
zu Betriebsablauf gehört, ist "trainieren" und die mit variierender
körperlicher Fitness verbundene Unbestimmtheit unerwünscht und störend.
Man könnte sie einplanen und dabei langfristig vielleicht sogar gewinnen
- aber wo ist das Motiv dafür?
Post by Anton ErtlDas ist natuerlich fuer die
Dienste wuenschenswert, denn damit koennen sie deutlich weniger zahlen
als wenn eine Anforderung wie "Training" dazukaeme.
So läuft das nicht. Man hat einfach auf "Elektrofahrrad" standardisiert
und dann stellt sich nur noch die Frage, ob ein Führerschein vorhanden
ist oder nicht. Eine Anforderung wie "Training" hat es in dem Sinne nie
gegeben, das wurde als selbstverständlich vorausgesetzt bzw. ergab sich
begleitend zum Job. M.a.W. wir haben es mit einem Umschwenken zu tun:
weg vom Fahrrad im Fuhrpark und hin zu einem weiteren standardisierten
Motorfahrzeug.
Post by Anton ErtlEin weiterer Aspekt ist (nach allem, was ich ueber Essenslieferdienste
gelesen habe, aber auch ueber Paketlieferanten), dass die Zentrale die
ueber das Handy fernsteuert und da auch knappe Zeitvorgaben macht, und
das geht natuerlich besser, wenn man ein uniformes Verhalten der
Flotte hat.
Diese Voraussetzung, ein uniformiertes Verhalten der Flotte ist erst
durch die Motorisierung entstanden. Meine Rede.
Post by Anton ErtlDie brauchen dann auch nicht beruecksichtigen, ob auf der
Strecke Steigungen dabei sind.
Insofern entfällt auch der Einwand, dass infolge des "training on the
job" auch eine Fahrradflotte auf Dauer ein uniformes Verhalten an den
Tag legt. Der Muskelmotor hat eine völlig andere Leistungs- und
Ermündungscharakteristik als ein Elektromotor.
Post by Anton ErtlWobei es da interessante Entwicklungen gab: Zuerst hat der orange
Essenslieferdienst E-Bikes (mit Kurbeln) gestellt (und ich glaube, da
waren die Lieferanten sogar angestellt), der gruene hat's offenbar mit
den Privatfahrraedern der Lieferanten gemacht, irgendwann hat das mit
den gestellten E-Bikes beim orangen aufgehoert und die sind auch mit
Fahrraedern gefahren; in den letzten Jahren sind die meisten auf
E-Bikes, die Mofa-aehnlich oder Vespa-aehnlich sind, umgestiegen; die
sind aber nicht im corporate design wie frueher die orangen E-Bikes,
sind also vielleicht Privatbesitz; andererseits habe ich in einer
Reportage (vor laengerer Zeit) dazu gelesen, dass das E-Bike gestellt
wurde (wenn sich der Lieferant erst eines anschaffen muesste, wuerde
das den Kreis der potentiellen Opfer^W Arbeitskraefte wieder
einschraenken).
Flink schreibt "Wir stellen dir alles, was du für deine Fahrt brauchst:
Ein modernes E-Bike oder Scooter mit Helm sowie Winter- und
Sommer-Kleidung.".
Wolt hält sich bedeckt, schreibt aber "Erhalte Rabatte auf E-Bikes
(derzeit nur in Berlin und Stuttgart), technische Produkte,
Fahrradreparaturen und mehr"
Smiliey's (ein Pizzalieferant) schreibt "Wir bieten; ... einen festen
Arbeitsplatz bei einer starken Marke professionelle Lieferbikes (z.T.
Elektro) ..."
Post by Anton ErtlDu nennst auch Fahrradbotendienste (Dokumentenlieferanten). Die sehe
ich kaum mehr. Offenbar hat das Internet diesen Markt deutlich
verkleinert. Bei denen habe ich meistens noch Fahrraeder gesehen, und
das sind m.W. Privatfahrraeder; da haben sich die Geschaeftsmodelle
noch vor dem Smartphone etabliert, und es kommt vermutlich nicht auf
5min mehr oder weniger an.
Deckt sich mit meinem Eindruck. Ich kann mir aber vorstellen, dass
dieses Geschäftsmodell auf das lokale schneller Ausliefern von
wichctigen Dokumenten (Urkunden ...) geschrumpft ist und in der Form
nicht auffällt und auch nicht auffallen will.
Der Fahrradkurier <https://de.wikipedia.org/wiki/Fahrradkurier> war mal
eine gut bekannte, eigenständige Kategorie. "Inzwischen gibt es kaum
noch reine Fahrradkurierdienste" hat inzwischen jemand in die Wikipedia
geschrieben.
Post by Anton ErtlPost by Wolfgang StroblTL;DR Gewerbebetriebe sind keine Menschen.
Worauf Du vielleicht hinauswillst: Die Anforderungen an
Essenslieferanten unterscheiden sich deutlich von denen der
Fahrradbenutzer.
Das Prinzip beschränkt sich nicht auf Essenslieferanten, ist dort aber
besonders manifest. Insofern stimme ich dir zu.
Post by Anton ErtlDas wird auch klar dadurch sichtbar, dass die meisten
Essenslieferanten E-Bikes verwenden, waehrend das sonst kaum wer tut.
Das ist insofern richtig, als ein Großteil des Fahrzeugsverkehrs aus
motorisiertem Verkehr besteht, während Fahrräder nur eine Nische
besetzen. Eine wichtige, unverzichtbare Nische zwar, aber trotzdem eine
Nische. Das bleibt selbst dann so, wenn man die motorisierten Fahrräder
hinzuzählt, weil leider viele Radfahrer auf E-Bikes umsteigen.
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Bicycle helmets are the Bach flower remedies of traffic