Am Sat, 1 Mar 2025 11:21:13 -0000 (UTC) schrieb Ralph Aichinger
Post by Ralph AichingerPost by Wolfgang StroblAutos, die sich i.W. zum Transport einer Person mit wenig Gepäck über
Kurzstrecken eigenen, halte ich für unangemessen. Außer man stellt sich
auf den Standpunkt, es sei ein Fortschritt, wenn sich jemand für
Distanzen, die man mit dem Rad zurücklegen kann, einen Kleinwagen
zulegt, typischerweise als Zweitauto.
Es gibt einen Mittelweg. Wir haben einen Daihatsu Sirion, im
wesentlichen die an europäische Anforderungen angepaßte Form eines
Kei-Car.
Einen "Mittelweg", also die Vorstellung, es gäbe eine normierbare
Variante eines Pkws, die für alle und jeden zu passen habe, halte ich
diesem Zusammenhang für unangemessen und abwegig. Und sei es auch nur
deswegen, weil es auf eine Dimensionierung hinausläuft, welche für die
meisten Einsatzzwecke nicht passt.
Es ist ja erfreulich, wenn ein Daihatsu Sirion für den Einsatzzweck
passt, den du nachfolgend beschreibst. Aber glaubt du, dass dein
Szenario so einfach auf Personen oder Familien übertragbar ist, die
andere Lebensumstände, Vorstellungen und Bedürfnisse haben?
Post by Ralph AichingerDa passen wir zu viert (2 Erwachsene, 2 Kinder) gut rein,
wie mein Bub kleiner war, sogar mit Kinderwagen im Kofferraum. Nein,
vermutlich würde der typische SUV-Käufer mit dem "Raumangebot" und der
fehlenden Möglichkeit zusätzlich noch Bierkisten für den Jahresbedarf
eines Fußballvereins einzuladen unzufrieden sein. Aber ein großer Teil
der Nutzung ist einfach, dass meine Frau derzeit damit zu einer mit
öffentlichen Verkehrsmitteln sehr schlecht erreichbaren Arbeit fährt.
Je nun. Als unsere beiden noch im Kinderwagen geschoben wurden bzw.
daneben herliefen, wohnten wir zur Miete und durften einen von zwei
Privatparkplätzen vor dem Haus nutzen, um den langen BX Break dort
abzustellen. Auch damals schon wurde der fast nur für die Fahrt in den
Urlaub und gelegentliche Großeinkäufe genutzt, ich fuhr mit dem Rad zur
Arbeit, meine Frau konnte zur Arbeit laufen und die täglichen Einkäufe
erledigte sie über die Woche auch zu Fuß oder mit dem Rad. Keines von
den Autos hat sie je für mehr als gelegentliche Übungsfahrten benutzt.
Da das Auto nach 1990 immer weniger benutzt wurde und als Umzug in eine
andere Wohnung anstand, hatten wir uns damals entschieden, das Auto ganz
abzuschaffen, das 1993 dann umgesetzt und sind bis Ende 1999 ganz ohne
eigenes Auto oder Zugriff auf ein Auto ausgekommen - Carsharing war
damals noch kein Thema und in der Familie war auch nichts greifbar. Die
Gründe, warum wir dann wieder eines angeschafft hatten, sind ein
separates Thema.
Man kann, wie demonstriert, durchaus ohne Auto auskommen und Kinder
großziehen, auch wenn beide arbeiten und einer der Eltern - in dem Fall
ich - einen Arbeitsplatz hat, der ein Musterbeispiel für "sehr schlecht
erreichbar" ist. Jedenfalls besassen wir in der Zeit, in der beide schon
mobil genug für den Kindergarten waren und dann für die nächsten sieben
Jahre kein Auto und haben auch keines genutzt. Jedoch sind ein paar der
Voraussetzungen, die das damals möglich und attraktiv machten, leider
inzwischen entfallen, "Schnee von Gestern".
Post by Ralph AichingerWürden mehr solche Kleinwagen, und weniger SUVs und Monstertrucks
rumstehen, wäre das Leben in der Stadt schon etwas angenehmer.
Der wesentliche Unterschied zwischen einem BX Kombi oder unserem
derzeitigen geräumigen Kombi und einem Daihatsu Sirion besteht darin,
dass letzterer für unsere Zwecke weitgehend unbrauchbar gewesen wäre.
Dies liegt daran, dass wir unsere Familienkutsche i.W. nur für sehr
seltene Langstrecken benötigt und benutzt haben, für die das Auto
vollgeladen wurde. Aber das hatte ich ja bereits beschrieben.
Wenn ich den veröffentlichten Daten trauen kann, liegen sowohl das
Leergewicht unseres Kombi als auch dessen Motorleistung und Verbrauch
auf demselben Niveau wie das des Daihasu, etwa 1000 kg, 75 PS und 6-7
Liter/100 km. Sehr verschieden jedoch ist das Transportvolumen. Die
siebzig bis achtzig Zentimeter mehr Länge erlauben bei unserem
derzeitigen Kombi ein Kofferraumvolumen von gut 1500 Litern, deutlich
mehr als doppelt so viel wie die 640 Liter beim Daihatsu.
Wenn es darum geht, jeden Tag wieder einen Parkplatz auf der Straße zu
finden, oder wenn man in der eigenen Garage mehr Stirnfläche für
anderweitige Zwecke freihalten kann, können die gut achtzig Zentimeter
Unterschied durchaus nützlich sein. Für den Platzbedarf, den das Auto
im öffentlichen Straßenraum beim Fahren benötigt, spielen sie aber kaum
eine Rolle, genau so wenig wie für den Verbrauch an Material für
Herstellung und Betrieb. Da wir das Auto nach 1990 nicht mehr täglich
oder auch nur wöchentlich benutzt haben, spielte die Chance, auf der
Straße schnell einen Parkplatz in der Nähe zu finden, auch keine Rolle.
Erst recht nicht, wenn es um Parkplätze standardisierter Länge geht, wie
bei praktisch allen Quartiers- und sonstigen kommerziellen Garagen hier
in der näheren Umgebung.
Der Kombi fasst unser Reisegepäck, welches auch zwei Fahrräder umfasst,
die im Urlaub umfänglich genutzt wurden, während das Auto herumsteht.
Zusammengefasst, es gibt nicht nur Kleinwagen einerseits, die i.W. auf
den Transport von zwei Personen mit wenig Gepäck zugeschnitten sind und
Monstertrucks und SUV andererseits, die i.W. einen Mangel an Testosteron
kompensieren sollen.
Post by Ralph AichingerPost by Wolfgang StroblDas ist das Problem. Aber was ist die Lösung? Mehr Kleinwagen, die kaum
für Zwecke benutzbar sind, die tatsächlich ein Auto erforderlich machen?
Was heißt "kaum für Zwecke"? Wir fahren mit unserem Kei-Derivat auch in
den Urlaub (paarhundert km, länger würden wir mit einem größeren Auto
auch nicht fahren), wir kaufen Matratzen vom Ikea damit, wir haben 4
Leute+Kinderwagen damit rumgefahren, gern auch mal 3 Kinder hinten, etc.
Sicher. Es gibt auch Wettbewerbe, wie viele Leute in einen Käfer passen.
Aber würdest du mit vier Leuten plus Kinderwagen oder mit drei Kindern
hinten in dem Auto aus NRW nach Südfrankreich fahren wollen? Wo würdest
du zwei Fahrräder und Gepäck für mehrere Wochen unterbringen? Dafür
haben wir das Auto verwendet, nicht, um zur Arbeit zu kommen oder um die
Kinder im Alltag herumzukutschieren.
Wir haben uns kürzlich zwei einzeln verpackte Matratzen liefern und in
den zweiten Stück hochtragen lassen. Selbst die beiden kräftigen Packer
mussten sich ziemlich abmühen - ich wäre selbst unter günstigeren
Umständen schon daran gescheitert, die überhaupt zwei Stufen
hochzubekommen. Ansonsten: wir leben nicht im oder mit dem Auto,
insofern kann kaum mit ähnlichen Anekdoten aufwarten.
Wir haben Baumaterial transportiert, Altpapier und Sperrmüll abgefahren
und, in der Tat, die eine oder andere Einkaufs-, Besuchs- oder
Transportfahrt gab es auch. Freilich geht das auch ohne Auto, dafür
haben und brauchen wir es nicht unbedingt, aber wenn man es hat und es
sich anbietet, nutzt man es halt. Transport per Taxi ist für
Zementsäcke, für große Mengen Altpapier, das auch hier leider nicht mehr
gebündelt abgefahren wird, für große Kartonagestapel, Bauschutt und
sonstiges Zeugs, das zum Wertstoffhof gebracht werden muss, nicht so der
Brüller.
Mehr als "paarhundert" Kilometer bin ich in den letzten Jahrzehnten auch
nicht gefahren. Meine Frau hat zwar einen Führerschein, fährt aber nicht
und ich bin längst aus dem Alter raus, in dem man >1000 km in einem
Stück bzw. an einem Tag fährt. Wie hier schon gelegentlich erwähnt, wir
haben die Anfahrt in den Jahresurlaub im Süden fast immer mit einer
Übernachtung und einer Städtebesichtigung auf halber Distanz verbunden.
Auch dafür ist es sehr vorteilhaft, wenn man die Räder _im_ Auto lassen
kann.
Post by Ralph AichingerPost by Wolfgang StroblAlso einen Kleinwagen als Zweitwagen? Ich habe nicht erwartet, dass du
so etwas propagierst.
Unser einziges Auto.
Andere nutzen zwei Autos und begründen es ähnlich.
Post by Ralph AichingerLange Zeit haben wir gar keines gehabt.
Eben. Manchmal ändern sich die Umstände und dann hat man keine Wahl,
oder jedenfalls keine attraktive.
Post by Ralph AichingerEin Großteil der "Notwendigkeit" für immer größere Autos ist einfach
Upselling, Notwendigkeit mit dem Auto Status zu demonstrieren etc.
Wie gesagt, der pauschalisierende Begriff "größere Autos" ist
vornehmlich dazu geeignet, die qualitativen Unterschiede zwischen
unterschiedlichen Parametern zu verwischen, die sich insgesamt als
"Größe" verstehen lassen. Also auf das, worauf es eigentlich ankäme.
Die meisten Kleinwagen unterscheiden sich von Pkw, die besser als
Transportfahrzeuge geeignet wären, nicht und nur wenig durch Gewicht,
Motorleistung oder Verbrauch, sondern dadurch, dass der Kofferraum
massiv abgespeckt ist. Kein Wunder: bei zwei nebeneinander liegenden
Sitzplätzen und den heutigen Anforderungen gibt es wenig Spielraum nach
unten in der Breite, die Länge spielt für die Frontfläche und
Aerodynamik keine Rolle und das Gewicht ist i.W. durch Motor,
Transmission und Reifen bestimmt, sowie Stabilitätsanforderungen, mithin
Leistung und Tempo.
Mit einem SUV, wie sie hierzulande herumfahren, kann man kaum noch
jemanden beeindrucken. Der moderne Onkel Doktor oder gut bezahlte Nerd,
der etwas auf sich hält, fährt mit dem Smart vor, wenn er draussen vor
dem Cafe oder angesagten Lokal seinen Kaffee oder ein Feierabendbier
genießen möchte und läßt die große Limousine/das Kabrio/SUV und/oder den
kleinen Oldtimer in der Garage stehen.
Können wir uns vielleicht darauf einigen, dass der Besitz eines Autos
ein Ärgernis ist, welches man vermeiden möchte, aber nicht immer
vermeiden kann? Dass die Notwendigkeiten und damit die Wahl des Autos je
nach den Umständen sehr verschieden sein können? Dass der äußere
Anschein - etwa, was ein "großes Auto" ausmacht - manchmal täuschen
kann?
--
Thank you for observing all safety precautions