Post by Markus LuftPost by Anton ErtlIch habe jetzt auch eine Grafik ohne Groessengrenze nach oben (aber ab
http://www.complang.tuwien.ac.at/anton/modal-splits/de-nl-at-100k-.ps
http://www.complang.tuwien.ac.at/anton/modal-splits/de-nl-at-100k-.png
Die oesterreichischen Staedte haben auch weniger Radverkehr und
tendentiell weniger Autoverkehr als die Niederlaendischen.
Womöglich hast Du ein bislang unbekanntes Verkehrsgesetz gefunden.
Wenn man in Städten viel Individualfahrzeugverkehr hat, wird das
wohl nicht ganz zufällig so sein.
Naja, wenn, wie in NL, die Leute keinen Fuß in den ÖPNV setzen wollen
aber trotzdem gerne von A nach B kommen wollen, ohne sich die Füße platt
zu latschen, bleibt ihnen ja nicht viel über, als sich ein Fahrzeug zu
beschaffen. Und sobald das mal da ist, wird es auch genutzt, ob jetzt
Rad oder Auto. In NL ist das häufiger ein Rad als in DE. Aber mit fast
50% MIV-Anteil sind die nur mäßig besser als wir. Die sind genau so ein
Autoland wie DE. Und wenn gerade der ÖPNV weg fällt, bleibt natürlich
nur noch Individualverkehr. Deren einzige Rettung ist der noch passable
Fußgängerverkehr. Sonst wären die auch schon längst bei > 60 % MIV, nur
dann halt ohne Rad- und Fußgängerverkehr. Ob das im Sinne der
lebenswerten Stadt so viel besser wäre, wage ich zu bezweifeln. NL hat
quasi seine ganz eigenen Verkehrsprobleme, die zwar von der Verteilung
her anders als bei uns sind, beim Big-Point Autoverkehr immer noch
dieselbe Richtung aufweisen: Zu viel Dosenverkehr.
Post by Markus LuftPost by Anton ErtlPost by Markus LuftHat mich mein Eindruck also nicht getäuscht.
Die Niederländer haben ihre Radwege gebaut um den Radverkehr nicht
vom MIV verdrängen zu lassen und die Deutschen um den MIV zu fördern.
Das darf man beides wohl als gescheitert sehen.
Naja, je nach Sichtweise. Aus meiner Sicht sind Rad-wegs, vor allem
benutzungspflichtige, dazu da, den Radverkehr zu verdraengen, von
daher kann man keine Radwege bauen, um den Radverkehr nicht
verdraengen zu lassen. Ich denke, dort geht es genauso um die
autogerechte Stadt wie ueberall sonst, wo Rad-wegs gebaut werden; die
haben halt schon etwas frueher damit angefangen als bei uns in .at,
weil dort vorher schon mehr Radfahrer da waren und es fuer sie daher
ein dringenderes Problem war. Wenn die Rad-wegs dann dazu gefuehrt
haben, dass das zu-Fuss-gehen vom Radfahren verdraengt wird, kratzt
das die Autofahrer wenig.
Den Niederländern traue ich es schon zu, daß sie tatsächlich den
Radverkehr fördern wollten.
Welchen Niederländern? Denen in den Amststuben oder denen auf der
Straße? Wenn niederländische Koryphäen auf dem Gebiet sinngemäß sagen,
dass auch die Niederländer Radverkehrsförderung oft mit
Autoverkehrsförderung begründen müssen, wäre ich da sehr vorsichtig, was
dieses Wollen angeht. Wer will da was? Kann sein, dass der holländische
Verkehrtplaner auch begriffen hat, dass zu viel Dosenverkehr ein Problem
ist. Aber so richtig anti-Dose will man auch auf keinen Fall agieren,
zumindest nicht offen sichtbar.
Post by Markus LuftIch denke auch, daß man in nicht wenigen deutschen Kommunen ähnlich
denkt. Mehr Radwege ==> mehr Radverkehr ==> weniger MIV.
So weit denken die Entscheider da sicherlich nicht. Sonst würden sie
eine etwas mehr aktivere Rolle bei der Eindämmung des MIV spielen.
Post by Markus LuftZiel war auch nicht unbedingt eine autogerechte Stadt.
Kommt drauf an wo und wann. Heute vielleicht nicht mehr, weil selbst die
Schnarchnasen gemerkt haben, dass mehr MIV schlicht nicht mehr
abzuwickeln ist, egal was sie machen. Ihre Häuschen am Straßenrand
wollen die Deutschen dem MIV der anderen™ dann doch nicht opfern. (Wohl
aber würde man es wohl sehr gerne sehen, wenn alle anderen ihre Häuser
abreißen, damit man selbst rum fahren kann. So frech das zu fordern ist
nur keiner.)
Post by Markus LuftVerkehrsplaner neigen dazu Probleme von Individuen lösen zu wollen
Und so schafft man dann viele Parkplätze, damit die Autos geordnet
im Weg rum stehen, macht Straßen breiter, damit die sich nicht stauen
und baut Radwege, damit die schwachen Radfahrer sich nicht unter den
vielen Autos behaupten müssen und Radfahrer den vielen Autos erst mal
aus dem Weg sind.
Das Problem von Planern ist einfach, dass sie Symptom-Bekämpfung
betreiben, keine Ursachenbekämpfung. Bzw., und das ist der tragische
Teil, dass sie oft auch nicht unbedingt die Mittel bzw. Befugnisse dazu
haben. Eine Umwidmung der Straße ist eben nicht einfach von Seiten der
StVB durchzuziehen. Die brauchen da politische Weichensteller, die aber
nicht die dazu notwendigen Eier oder den notwendigen Weitblick haben.
Also wird weiterhin das bisschen gemacht, was sie machen können/dürfen,
was aber leider das Problem nicht bei der Wurzel packt.
Post by Markus LuftDas ist nicht unbedingt immer eine Pro-Auto und Anti-Radler Politik.
Nee, oftmals ist es blanke Verzweiflung. Beispiel hier in einem
Stadtteil: Verkehrsberuhigter Bereich, teils mit Granitblöcken
durchgesetzt. Jetzt scheinen aber die Leute, die da durch fahren und
einparken, zu blöde zu sein, sich vorher einzuprägen, wo die Dinger
liegen (so winzig sind die mit 50 cm Höhe dann nicht) und semmeln
anscheinend immer mal wieder rein in die Teile. Ergebnis: Zeter! Sie
kriegen jetzt Pflanzkübel. Man darf gespannt sein, wann der erste sich
daran den Lack zerkratzt und jammert, bzw. die Pflanzkübel Schrott sind.
Der Druck kommt oft genug noch von unten. Man darf ja schon froh sein,
dass ein einfaches weg machen nicht durchgesetzt wurde, sondern trotzdem
immer noch Hindernisse platziert bleiben.
Post by Markus LuftEine ausgesprochene Pro-Auto und Anti-Radler Politik ist für D
historisch belegt, was aber nicht heißen muß, das die überall auch
noch so gilt.
Naja, spätestens wenn man die Herren und Damen mit den Schattenseiten
ihres Tuns konfrontiert, ist offenbar doch sehr schnell Schluss mit
Verständnis für den Radverkehr und Dose-Dose-über-alles gilt wieder.
Denn so verbohrt können nicht mal die sein, dass sie nicht sehen, was
sie da anrichten. Es wird schlicht weiterhin ignoriert, was das für
Seiteneffekte hat. Der Haupteffekt, dass kein Autofahrer sich mehr am
Riemen reißen muss, der ist wichtig. Siehe Leistungsfähigkeit der
Kreuzung. Was interessieren mich deine Knochen, solange der KFZ-Verkehr
weiterhin ungestört rollen kann.
Post by Markus LuftWenn wir uns jetzt hinstellen und sagen wir hätten diese Pro-Auto und
Anti-Radler Politik satt, wird das oft nicht verstanden, weil die sich
gar nicht darüber im Klaren sind, daß sie defacto genauso eine
Politik machen.
Genau da liegt der Hase im Pfeffer. Auf der einen Seite wollen sie gerne
ihre Verkehrsprobleme gelöst sehen, gehen ggf. sogar so weit, politische
Grundsatzbeschlüsse pro Rad zu beschließen, um dann bei den
Folgebeschlüssen ständig zu kneifen, sobald die auch nur im Ansatz das
Auto einschränken und auch oft genug dann, wenn sie tatsächlich eine
erhöhte Förderung des Radverkehrs bedeutet, z. B. wenn es ums Geld geht.
Post by Markus LuftPost by Anton ErtlUnd dass der MIV in .de nicht gefoerdert wurde, kann ich auch nicht
sehen. Es geht bei der Foerderung ja auch nicht unbedingt darum, mehr
MIV zu haben, sondern dass man selbst als Autofahrer besser
vorankommt; das Ideal des Entscheidungstraegers ist das, was uns immer
in der Autowerbung gezeigt wird: Leere Fahrbahnen, auf denen man
angenehm fahren kann. Wenn die anderen, nachdem sie, um die deutsche
Wirtschaft zu stuetzen, ihr Auto gekauft haben, es dann zu Hause
stehen lassen und lieber mit einem anderen Modus unterwegs sind, kann
das dem Entscheidungtraeger nur recht sein, solange sie in dem anderen
Modus nicht die Fahrbahn (von ihnen auch gerne "Autostrasse" genannt)
benutzen.
Historisch war es in D aber schon so, daß man den MIV zu Lasten der
anderen Verkehrsarten fördern wollte.
Wie du schreibst, implizit ist das noch heute so. Wenn hier der
Radverkehrsbeauftragte mit leistungsfähigen Kreuzungen auf Kosten der
Leben der Radfahrer argumentiert (nicht explizit, aber implizit), dann
ist das aus meiner Sicht noch heute so.
Post by Markus LuftBis locker in die 80er hinein haben doch die meisten Städteplaner von
der autogerechten Stadt geschwärmt.
Man nennt das Kind heute nicht mehr so, agiert aber immer noch genau im
selben Stile. Das ändert jetzt für mich nur wenig. Versuch mal in deiner
Stadt einen Parkplatz weg zu kriegen... Oder gar eine Kreuzung mit
Pollern absperren zu lassen. Such dir aber vorher besser eine Wohnung
und Arbeitsstelle in einer anderen Stadt. Es könnte sein, dass du recht
schnell Morddrohungen kriegst.
Post by Markus LuftMan ist davon ab, kommt aber nicht davon los.
Exakt. Was heißt, man ist immer noch mitten drin was wiederum heißt, es
ändert sich doch nichts. Weder anti-Auto noch pro-Rad ist wirklich real
eingezogen.
Post by Markus LuftDie Amis, die ja wohl die Probleme des Autos kennen, haben sich lange
nicht für Radfahrer interessiert, so lange es nur Radkuriere (Als
Antwort auf das Autoproblem) waren, kaum haben sich auch Hipster auf
das Rad getraut, baut man den wenigen Radfahrern jetzt Radwege hinterher
und glaubt somit die jeweiligen Probleme der Verkehrsgruppen lösen zu
können. Somit wird dann jede Veränderung der Mobilität, die vom Volk
ausgeht auch gleich wieder im Keim erstickt. Und wieder schreien alle
Hurra. Bis auf die wenigen erfahrenen Radfahrer natürlich, die genau
wissen was ihnen nun blüht.
Frederick Vester – Ausfahrt Zukunft, Wilhelm Heine Verlag München, 1990.
Schönes Buch. Da wird genau das beschrieben, was du sagst. Es gibt
Mechanismen, die gerade so eine Symptompolitik recht schnell wieder im
Sande verlaufen lassen, weil die gewachsenen Systeme das schlicht
abfedern, durch die Art und Weise wie die verschiedenen Bedürfnisse und
Akteure miteinander interagieren. Genau deshalb ist es auch so wichtig,
dass man sich vorher ernsthaft hin setzt und genau überlegt, an welchem
Stellrad man dreht. Wenn z. B. mehr Straßen mehr KFZ-Verkehr bedeuten,
ist es offensichtlich das dümmste was man machen kann, zur Entlastung
eine Straße zu verbreitern oder eine neue zu bauen. Der Mechanismus ist
inzwischen eigentlich weit genug bekannt und oft genug belegt worden.
Ist nur noch nicht so wirklich in den Köpfen der Entscheider angekommen.
Da gilt immer noch: breitere Straße -> mehr Platz -> weniger sich selbst
im Weg stehen -> Entlastung. (Sofern sie denn den sich selbst im Weg
stehen Teil überhaupt checken.)
Post by Markus LuftPost by Anton ErtlPost by Markus LuftBesonders ist Houten bei Utrecht, diese Kunststadt erkennt man schon
aus der Luft. Man muß schon ziemlichen Aufwand betreiben um den
MIV-Anteil niedrig zu halten und einen hohen Radverkehrsanteil ohne
Verdrängung des Fußverkehrs hinzukriegen.
Eigentlich nicht. Einfach keine Parkplaetze bauen (und in den
Bauvorschriften auch Privatparkplaetze verbieten, im Gegensatz zur
Wiener Parkplatzverordnung), und die Sache hat sich. Der Vergleich
von Houten mit dem zu aehnlicher Zeit gebauten Milton Keynes oder
Stevenage ist aber schon interessant.
Privatparkplätze werden sich kaum verbieten lassen. In D ist es aber
so,
Das wäre insofern OK, wenn denn das private Blech ausschließlich auf
privaten Parkplätzen stehen dürfte. Das wäre ein erster Schritt in die
Richtung »wer private Fahrzeuge fahren will, soll deren Unterhalt auch
gefälligst privat zahlen«. Hier kostet die Tiefgarage 40 € im Monat...
Aber solange man von der Allgemeinheit bezahlte, kostenlose Parkplätze
zur Verfügung gestellt bekommt, merkt ein erheblicher Teil einfach
nicht, welche Kosten er letztlich tatsächlich verursacht, aber nicht
vollständig selbst trägt.
Post by Markus Luftdaß die Länder meist eine Mindestzahl an PKW-Stellplätze vorschreiben,
Radfahrer bleiben in aller Regel unberücksichtigt.
Ist das wirklich Ländersache bei einigen? Hier gibt es kommunale
Stellplatzssatzungen. Oder unterliegen die in BY auch einer Art
bayerischen Stellplatz-Verordnung? In A hat man im April erst Räder mit
dazu genommen.
Post by Markus LuftIn Kiel parken aber 40% der KFZ auf öffentlichem Grund, da kann man viel
regeln, zumal der Häuserbestand im weiteren Innenstadtbereich historisch
gewachsen ist und eigentlich kaum Parkplätze vorgesehen sind.
So schaut's aus. Bestes Beispiel sind doch die tollen
Anwohnerparkplätze. Sinngemäß: »Hier hat es zu wenig Raum für
Parkplätze«. Reaktion: Sperren wir zumindest die anderen™ aus. Das
Grundproblem wird aber gar nicht angegangen.
Post by Markus LuftMit den explodierten Mieten werden mittlerweile auch die Innenhöfe
bebaut und da ist dann für Autos dann auch kein Platz mehr. Wenn
solche Garagenanlagen <https://goo.gl/maps/B2VD6JfqZhN2> der
Nachverdichtung zum Opfer fallen, heißt es zukünftig vermehrt "Autos
müssen leider draußen bleiben". Es würde schon was hermachen, wenn
die Stadt Kiel nicht ausgerechnet in solchen für Kieler Verhältnisse
bestens ÖPNV-mäßig angebundenen Stadtteilen Bewohnerparkplätze
vorhalten würde. Da wächst der Parkdruck auf die Anwohner auch und
man würde sich wohl überlegen, ob man da überhaupt noch ein Auto
vorhalten muß.
So ist es.
Post by Markus LuftDieses Stadtviertel hat eine der höchsten Autodichten in ganz Kiel
und die Stadt hat gerade in der gegend sehr gern das rechtswidrige
Parken auf Gehwegen legalisiert. Die gegend ist quasi zugeparkt,
allerdings auch mit Rädern. Die Fahrradstellanlagen hat man noch dahin
gestopft, wo das wirklich rechtswidrige Parken unterbunden werden soll.
In Hannover habe ich da mal eine mMn ganz pfiffige Lösung für zwei
Probleme auf ein mal gesehen: Radabstellanlagen in Kreuzungsbereiche, an
die Ecken der Kreuzung gesetzt, sorgen für mehr Abstellplätze und
zugleich bessere Sichtbeziehungen. Durch eine Blechdose kann man
schlecht durch sehen. Durch ein paar Räder schon noch.
Grüßle,
Martin.